| Henrik Ibsen: Peer Gynt Berlin, Berliner Ensemble
|  | Man möchte es nicht für möglich halten, dass ein so bedeutender Regisseur eine so belanglose Inszenierung abzuliefern imstande ist, die kein selbstbewußter und um das Ansehen seines Hauses besorgter Intendant einem weniger bekannten Regisseur hätte durchgehen lassen.
Dass Peter Zadek die eigene, unerschöpfliche Phantasie durchgegangen sei, ist eine freundliche Übertreibung für einen deprimierenden Theaterabend, dessen aneinandergereihte Albernheiten, Kalauer und Peinlichkeiten dem populären, aber schwierigen Stoff jede Poesie austreiben.
Keine Magie, keine Botschaft. Man wünschte sich, man wäre zur Pause gegangen: da war gerade die großartige Angela Winkler einen leisen Theatertod gestorben und damit war der einzige Höhpunkt dieser Aufführung auch schon vorbei.
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| Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick Bochum, Schauspielhaus
|  | In Bochum sind zwei Stücke gleichzeitig zu sehen: eine aufwendige, unterhaltsame Revue und ein fast unauffälliges, leises Drama. Von Live-Musik begleitet präsentiert ein vielköpfiges Ensemble auf der Drehbühne bunte Szenen aus dem Berlin der wilhelminischen Zeit mit der ehrfürchtigen Fixierung auf Uniformen wie dem Tanz um das Goldene Kalb und zugleich spielt der große Otto Sander den kleinen Schuster Wilhelm Voigt, der auf dem Weg von der Gefängnisstrafe zurück ins bürgerliche Leben durch ordentliche Erwerbsarbeit in den Teufelskreis bürokratischer Willkür gerät und im verzweifelten Alleingang zur eigenen Resozialisierung als kostümierter Hauptmann das Rathaus von Köpenick besetzt und schließlich auch mit diesem glanzvollen Theatercoup scheitert.
Beide in Bochum gezeigten Versionen beeindrucken auf ihre Weise, beide beruhen auf dem gleichen Text, nur ihre Verbindung will nicht so recht gelingen.
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| Caroline Link: Nirgendwo in Afrika Überall im Kino
|  | Erstmals seit fast einem viertel Jahrhundert wurde bei der diesjährigen Preisverleihung der Amerikanischen Filmakademie der Oscar für den besten ausländischen Film wieder an eine deutsche Produktion vergeben:
Der Film "Nirgendwo in Afrika" von Caroline Link erhielt diese begehrte Auszeichnung. Schon mit ihrem Debütfilm "Jenseits der Stille" war Caroline Link 1996 für den Auslands-Oscar nominiert, die jetzige Auszeichnung ist nicht nur der internationale Durchbruch für eine junge deutsche Regisseurin, sondern zugleich ein willkommenes Signal für den deutschen Film und seine internationale Reputation. Mit der eindrucksvoll erzählten, intellektuell und emotional bewegenden Geschichte einer jüdischen Familie aus Breslau, die 1938 aus Deutschland fliehen muß und in Kenia eine neue Heimat findet, hat sich dieser Film gegenüber einer breiten, internationalen Konkurrenz behaupten können.
Liebeserklärung an Afrika
Der dritte Spielfilm von Caroline Link "Nirgendwo in Afrika" folgt einer autobiographisch geprägten Romanvorlage Stefanie Zweigs. Der Film wie der Roman sind eine Liebeserklärung an Afrika und zugleich eine Auseinandersetzung mit den Bedrohungen der Freiheit und den Schwierigkeiten nicht nur des physischen Überlebens. Wie in den ersten beiden Filmen, "Jenseits der Stille" und der Kästner-Verfilmung "Pünktchen und Anton", ist auch hier eine der Hauptfiguren ein kleines Mädchen, Regina, das mit der schwierigen Situation der Auswanderung in ein fremdes Land nicht nur besser fertig wird, sondern in der Umstellung auf die veränderten Verhältnisse auch flexibler und geistig offener ist als die Erwachsenen.
Reginas Vater kann seinen Beruf als Jurist hier nicht ausüben. Als "verdammter Flüchtling" verwaltet er nur eine ärmliche Farm, wird von der europäischen Gesellschaft in Kenia gemieden. Zu Hause in Breslau weitet sich der Nazi-Terror aus, hier droht die Malaria. Unruhe und Angst beherrschen beide Welten. Als seine Frau Jettel 1938 nachkommt, erlebt sie die fremde afrikanische Umgebung als einen Kulturschock, die ihre fünfjährige Tochter als Abenteuer begreift. Regina findet den Kontakt zu den Menschen und dem Land, den ihre Eltern nicht bewältigen oder gar nicht wollen. Lange bleiben will man ohnehin nicht: "Wenn Du mit mir sprechen willst, mußt Du schon Deutsch reden", herrscht Jettel Owuor an, als ob es für den kenianischen Koch tatsächlich irgendeinen Grund dafür gäbe. Dann hängt sie ein paar Stiche in der Hütte auf, kleine Fragmente der verlorenen Heimat, in der sie ihres Lebens nicht mehr sicher ist.
Die verwöhnte und irritierte Jettel, die statt eines Kühlschrankes ein neues Abendkleid für Afrika kaufte, erlebt ihren Ehemann hilflos und resigniert. So läßt sie sich vom Nachbarn, dem Emigranten Süßkind, umwerben. Ihre Lebensgeister erwachen erst mit der Internierung ihres Mannes in ein britisches Lager: Die Deutschen sind in Afrika einmarschiert. Jahre vergehen, bis das Ehepaar Redlich wieder zueinanderfindet, bis sie sich an Afrika mit all seinen Schrecken gewöhnen.
In der Tradition großartiger Kenia-Filme
Filmpreise prämieren grundsätzlich weder Themen noch Länder, sondern die künstlerische Auseinandersetzung mit Geschichten, Städten und Landschaften. Caroline Link gelingt es mit diesem Film, die Ambivalenz Afrikas, seine Schönheit und seine Armut, aber auch die Metamorphose des Terrors - hier die Heuschreckenplage, dort die Nazi-Gewalt - in überwältigende Bilder zu fassen. Sie führt mit "Nirgendwo in Afrika" eine Tradition großartiger Kenia-Filme fort, die mit den Hollywood-Produktionen "Schnee auf dem Kilimandscharo" mit Gregory Peck und Ava Gardner, "Hatari" mit John Wayne und Hardy Krüger und selbstverständlich "Jenseits von Afrika" mit Meryl Streep und Robert Redford unvergeßliche Erfolge feierte.
Der Film beeindruckt sowohl durch die berührende Geschichte wie die glänzenden Darsteller (Juliane Köhler als Jettel, Matthias Habich als Nachbar Süßkind, Karoline Eckertz als Tochter Regina und den überragenden Sidele Onyulo als Koch und Hausdiener Owuor), die düsteren Bilder aus einer finsteren Zeit und die grandiosen Landschaftsaufnahmen eines nahen, fernen Kontinents. Er ist eine Werbung für den deutschen Film - und für Afrika hoffentlich auch. Beide können eine solche Werbung gut gebrauchen.
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