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David Grossman
Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Hanser-Verlag, München 2009


Welch ein Buch! Weder leichte noch schnelle Kost, mit über 700 Seiten eine in jeder Hinsicht anspruchsvolle, gelegentlich strapaziöse Lektüre. David Grossmann entfaltet sein großes Thema mit vielen Variationen langsam, aber gewaltig und zieht den Leser unwiderstehlich in das Drama einer Frau und ihres Landes. Das eine ist von dem andern nicht zu trennen, und von der persönlichen Tragödie des Autors auch nicht, dessen zweiter Sohn in den letzten Stunden des Libanonkrieges im August 2006 gemeinsam mit der gesamten Besatzung eines israelischen Panzers getötet wurde.




In seinem Nachwort zur Arbeit an diesem Roman schreibt Grossmann, „ich hatte damals das Gefühl – oder genauer gesagt, die Hoffnung -, dass das Buch, das ich schreibe, ihn schützen wird“. Diese Hoffnung hat sich für ihn ebenso wenig erfüllt wie für Ora, die Heldin seines Buches, die in einer wochenlangen Wanderung zusammen mit ihrem Geliebten und Vater ihres gemeinsamen zweiten Sohnes mit einer scheinbar unendlichen Erzählung über dessen Geburt und Kindheit und Entwicklung und Interessen und Begabungen bis Einberufung zum Militärdienst vergeblich vor einer Nachricht flieht, die sie von dem Augenblick an erwartet, wo dieser sich freiwillig zu einem Einsatz unmittelbar nach Abschluss des obligatorischen Wehrdienstes verpflichtet.




Man kann das grandiose Buch des Friedenspreisträgers des deutschen Buchhandels nicht mit der gleichen Begeisterung lesen wie andere bedeutende Werke der Weltliteratur mit ihrer jeweils kunstvollen Verbindung einer Lebensgeschichte mit der Geschichte einer Stadt oder eines ganzen Landes: man liest – fasziniert und erschrocken zugleich – mit wachsender Betroffenheit Seite um Seite auf ein Ende zu, das man längst ahnt und doch gar nicht erfahren will.




Nicht nur für den Autor verändert das Erreichen der Nachricht „den Resonanzraum der Wirklichkeit“, von der dieses Buch eindrucksvoll Zeugnis gibt.


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