Landesgruppe Nordrhein Westfalen - Lammert -

Die Vorstellungen gehen noch weit auseinander

|| Geschrieben von: Lammert [] am 29. 3. 2006 || http://www.cdu-landesgruppe-nrw.de ||
Mittwoch, 29. März 2006
Dr. Norbert Lammert

Lammert: Die Vorstellungen gehen noch weit auseinander
Interview in der Süddeutschen Zeitung

Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht in der Süddeutschen Zeitung über Diäten und Altersversorgung und den Versuch, die Probleme einvernehmlich zu regeln.

SZ: Wie hoffnungsfroh sind Sie jetzt?

Lammert: Ich habe den Eindruck, dass es bei allen ein Interesse an einer einvernehmlichen Regelung gibt.

Frage: Interesse ja, aber keine Grundlage.

Lammert: Es gibt keine identischen Auffassungen, das ist schon wahr. Da gehen die Vorstellungen, ob überhaupt und wie weit man Änderungen angehen sollte, durchaus auseinander. Aber es gibt ein allseitiges Interesse, das gemeinsam zu regeln und nicht in ein Regierungs-Oppositions-Muster zu verfallen.

Frage: Was schlagen Sie vor?

Lammert: Ich habe vorgeschlagen, dass ich eine Anpassung der Bezüge der Abgeordneten nach den von den statistischen Ämtern gemessenen durchschnittlichen Einkommen der Erwerbstätigen vorzunehmen für richtig erachte. Die im Gesetz festgelegte Orientierung an der Richterbesoldung ist derzeit um mehr als zehn Prozent verfehlt. Ich empfehle, diese faktische Absenkung hinzunehmen, aber zugleich sicherzustellen, dass nach nunmehr drei aufeinander folgenden Jahren ohne Anpassung die Diskrepanz gegenüber dem im Gesetz vorgesehenen Rahmen nicht durch weitere vier Jahre immer noch größer wird.

Frage: Ihrer Meinung nach hinken die Abgeordneten 100 Meter hinterher und sollen auf 50 Meter rankommen?

Lammert: Eben nicht. Dieser Vorschlag stellt allenfalls sicher, dass aus den 100 Metern nicht 150 werden.

Frage: Die Bezüge sind das eine, die Versorgung der Bundestagsabgeordneten das andere. Wird auch da herangegegangen?

Lammert: Dazu haben die Fraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen. Eine Neujustierung der Relation von Bezügen zu Versorgung halte ich für den Beginn der nächsten Legislaturperiode für möglich und persönlich wünschenswert.

Frage: Erhöhung der Bezüge jetzt, mögliche Schnitte bei den Privilegien später?

Lammert: Wenn man das System von Bezügen und Versorgung etwas ändern will, kann man das nur zu Beginn einer neuen Legislaturperiode, also 2009, tun. Ich kann für das geltende Recht nicht erkennen, dass es sich um Privilegien handelt. Wir haben ein gesetzlich geregeltes System von Bezügen und Versorgungsansprüchen, das sich an die Grundsystematik der Beamtenversorgung anlehnt, aber nach Vorgabe des Verfassungsgerichts die Beamtenversorgung nicht auf die Politiker überträgt. Manches kann man da für eine Vergünstigung, manches für eine Benachteiligung halten. Jemand, der als 60-Jähriger Unterabteilungsleiter wird und damit die Besoldungsstufe B6 erreicht, die die Bezugsgröße für Abgeordnete sein soll, erhält mit 65 lebenslang eine Versorgung nach B6 (Für Verheiratete im Westen 7668 Euro - Anm. d. Red.). Das erreicht ein Bundestagabgeordneter nach 18 Mandatsjahren nicht.

Frage: Mit den noch komfortableren Beamtenpensionen zu kommen, ist nicht publikumswirksam. FDP-Chef Westerwelle fordert eine private Alterssicherung.

Lammert: Nicht jeder Vorschlag zur Systemveränderung ist gleich ein Vorschlag zur Senkung der Versorgungsansprüche. Manche davon sind Vorschläge zu einer neuen Finanzierung bei Aufrechterhaltung der Ansprüche. In jedem Fall brauchen wir eine Regelung, die den Besonderheiten des freien Mandats gerecht wird. Ich plädiere dafür, im Lichte der Veränderung anderer Alterssicherungssysteme die Regelung für die Abgeordneten neu zu justieren.

Frage: Als vorbildlich gilt die Reform in Nordrhein-Westfalen. Sie haben Zweifel daran. Warum?

Lammert: Weil ich weder erkennen kann, dass das eine günstige Regelung für den Steuerzahler ist, noch eine für die Aufgabenwahrnehmung der Abgeordneten sachgerechte Lösung. So bin ich etwa ein dezidierter Anhänger der Kostenpauschale, die ich sowohl für verfassungskonform wie für sachgerecht halte.

Frage: Wie wollen Sie die Transparenz von Nebeneinkünften regeln?

Lammert: Der Bundestag hat gerade erst weiterführende Veröffentlichungspflichten beschlossen, die wegen Zweifeln an der Verfassungsmässigkeit Gegenstand einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sind.

Frage: Ihnen persönlich hätte größere Transparenz Ärger erspart.

Lammert: Im Gegenteil. Dass diese Vorhaltung Bestandteil einer in die zweite Woche gehenden Kampagne ist, ist unübersehbar. Die Bild-Zeitung hat nichts "aufgedeckt", sondern eine von mir seit Jahren angegebene Tätigkeit in ihre Kampagne eingebaut. Ich habe auf Bitten der Tarifpartner die Position des neutralen Mannes im Aufsichtsrat der RAG eingenommen und noch am selben Tag entschieden, die daraus resultierenden Bezüge einer gemeinnützigen Stiftung zur Verfügung zu stellen. Daraus einen Vorwurf zu machen, ist an Erbärmlichkeit nicht zu überbieten.

Frage: Was heißt das für die Reform?

Lammert: Die Kampagne hat die Bedingungen nicht verbessert. Es gibt eine Reihe von Kollegen, die nun erklären, unter diesen Umständen dächten sie nicht im Traum über Veränderungen nach. Ich befinde mich in der kuriosen Situation, als Hauptbetroffener der Kampagne für kühlen Kopf zu werben. Wir dürfen uns nicht durch eine armselige und durchsichtige Kampagne in unserem Urteilsvermögen beeinträchtigen lassen.

Das Interview mit dem Bundestagspräsidenten führte Christoph Schwennicke.